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Gutachten sieht keinen Grund für die Fortsetzung der Notlage

Autor: Markus Hannig
Mittwoch, 7. Oktober 2020
Der deutsche Staatsrechtler und Universitätsprofessor Dr. Thorsten Kingreen erstellte im Auftrag der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten ein Rechtsgutachten zur Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag. Seine Ergebnisse stellte er als Sachverständiger Mitte September 2020 in einer Sitzung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags vor.

Der Deutsche Bundestag hatte Ende März angesichts steigender Infektionszahlen eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Nach Auffassung von Prof. Dr. Thorsten Kingreen setze dies gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 IfsG „eine systemische Gefahr für die ‚öffentliche Gesundheit‘, d.h. für die Gesundheitsstrukturen und damit die Versorgung der Bevölkerung voraus“. Regelungsgegenstand sei jedoch nicht die “individuelle Gesundheitsgefahr“.  Nach der Einschätzung des Gutachters sei diese „Gefährdung der ‚öffentlichen Gesundheit‘ zum Feststellungszeitpunkt des Deutschen Bundestags am 25.03.2020 gegeben“.

Der Feststellungsbeschluss des Deutschen Bundestags vom März muss nach § 5 Abs. 1 S. 2 IfsG wieder aufgehoben werden, wenn seine tatsächlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
Entsprechend der Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens besteht eine systemische Gefährdung der ‚öffentlichen Gesundheit‘ nicht mehr. Aus Sicht von Prof. Dr. Kingreen ist der Deutsche Bundestag dazu verpflichtet, den Feststellungsbeschluss vom 25.03.2020 aufzuheben. Dies ist übrigens in der darauffolgenden Sitzung des Deutschen Bundestags am 17. September 2020 leider nicht erfolgt!

Kingreen kritisiert, dass durch den Feststellungsbeschluss eine „Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit in Rechtsverordnungen“ ausgelöst worden sei. Dies führt zu einer Verschiebung der Gewaltenbalance zur Landesverwaltung wie auch eine horizontale Gewaltenteilung zu Lasten der Legislative. „Das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) ist in seinen Fundamenten betroffen, wenn abgeleitete Gesetzgebung nicht mehr auf ein hinreichend bestimmtes Parlamentsgesetz zurückgeführt werden kann und Normenunterworfene nicht mehr mit hinreichender Klarheit erkennen können, ob das im Parlamentsgesetz Geregelte auch tatsächlich gilt.“

Der Deutsche Bundestag ist laut Prof. Dr. Kingreen dazu verpflichtet, seine verfassungsrechtlich zugewiesene Funktion wahrzunehmen. Seines Erachtens wäre es „ohne weiteres möglich, das derzeit in den Rechtsverordnungen geregelte ‚Corona-Ausnahmeregime‘ in die konkreten Normen der Gesundheitsgesetze zu überführen. Das würde nicht nur die demokratische Legitimation dieser Regelungen stärken, sondern wäre auch ein Beitrag zur Wiederherstellung rechtsstaatlicher Normenklarheit“. Der Deutsche Bundestag kann im Notfall jederzeit einen neuen Feststellungsbeschluss nach § 5 Abs. 1 S.2 Infektionsschutzgesetz herbeiführen.

In dem dritten Punkt der Zusammenfassung seiner Ergebnisse zeigt Kingreen einen Weg für den Fall auf, dass im Bundestag keine Mehrheit für die Beendigung der Pandemie-Notlage zustande komme. Sowohl Abgeordnete als auch Fraktionen könnten dann ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anstrengen.
Da der Deutsche Bundestag dieser dringenden Empfehlung von Dr. Kingreen nicht mehrheitlich nachkam und im September nicht mehrheitlich für die Aufhebung des Feststellungsbeschlusses vom März 2020 gestimmt hatte, wird es relativ sicher nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das Bundesverfassungsgericht dieser Sache annehmen muss. Größer kann der dadurch entstandene Schaden hinsichtlich des Vertrauens der Bürger an den aktuellen Zustand der deutschen Demokratie kaum mehr sein!
Und wieder einmal muss man feststellen, dass auch von dieser skandalösen Entscheidung des Deutschen Bundestags die weitläufig anerkannten Medien in der großen Mehrheit nicht berichteten.


Der gesamte Bericht von Universitätsprofessor Dr. Thorsten Kingreen ist frei verfügbar und kann von jedem auf der Homepage der Freien Demokraten heruntergeladen werden.

Hier findet man Informationen zur zuvor genannten Sitzung des Deutschen Bundestags.


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